Patenschaften mit Bedacht wählen
Lassen Sie die Hände von Patenschaften für ein einzelnes Kind. Denn es sind ethisch problematische Marketinginstrumente, die falsche Erwartungen wecken. Unterstützen Sie besser ein nachhaltiges Projekt.
Es gibt Patenschaften, bei denen Sie ein persönliches Patenkind in einem Entwicklungsland erhalten. Das Kind schreibt Ihnen Briefe. Sie können es sogar besuchen. Dahinter steckt das ethisch problematische Marketing einer Organisation. Denn viele Patinnen und Paten meinen, ihre Hilfe komme direkt dem persönlichen Patenkind zu Gute. Für die Entwicklung eines Kindes sind jedoch Projekte nötig. Diese sorgen zum Beispiel für die medizinische Grundversorgung, sauberes Trinkwasser oder für Bildung. Richtigerweise kommen solche Projekte einer ganzen Gemeinschaft zu Gute, nicht einem persönlichen Patenkind.
Der direkte Briefkontakt bindet die Patinnen und Paten emotional an ihr Patenkind. So fühlen sie sich verpflichtet, das Kind und damit die Organisation über viele Jahre zu unterstützen. Manche Paten möchten direkt auf die Entwicklung des Kindes Einfluss nehmen. Die Organisation muss deshalb aufwändige Massnahmen zum Schutz der Kinder treffen. Auch die Besuchsmöglichkeit vermittelt ein unrealistisches Bild. Als Patin oder Pate kann man nämlich nicht selber beurteilen, wohin die Spende geflossen ist und was sie bewirkt hat.
Das sagen Schweizer Hilfswerke zu Einzelkind-Patenschaften
«Kinderpatenschaften sind ein Marketing-Instrument, das persönliche Bindung zwischen Paten und Kind suggeriert und der Spenderbindung dient. Es entsteht auch der Eindruck, dass gespendetes Geld direkter ankommt. Kinderpatenschaften sind jedoch mit administrativem Aufwand verbunden und es besteht die Gefahr, dass Kinder instrumentalisiert werden.» terre des hommes schweiz
«Persönliche Beziehungen wecken bei Kindern falsche und unrealistische Erwartungen.» Caritas Schweiz
«SOS-Kinderdorf Schweiz bietet bewusst keine Kinder-Patenschaften an: Das Wohl der Kinder und der Schutz ihrer Privatsphäre stehen an oberster Stelle.» Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz
«[Einzelkinderpatenschaften] verursachen einen hohen administrativen Aufwand mit dazugehörenden teuren Personalkosten in der Schweiz. Dieses Geld sparen wir und lassen es direkt dem Werk in Äthiopien zukommen.» Kinderheim Selam
«[Einzelkinderpatenschaften] tragen zum Risiko bei, Träger einer Sache zu sein und eine bevormundende Vision in der Kinderhilfe zu begünstigen.» Stiftung Terre des Hommes
«Wie viele andere Organisationen auch bietet Unicef keine Einzelpatenschaften an, sondern sucht Paten, die jeweils ein ganzes Projekt unterstützen. […] Projektpatenschaften bieten die Gewähr, die Lebensaussichten der Kinder dauerhaft zu verbessern, ohne einzelne Kinder zu bevorzugen.» UNICEF Schweiz
«Die SRK-Projektpatenschaften sind nachhaltig und fair. Aus ethischen Gründen und als Zewo-zertifizierte Organisation bietet das SRK keine Patenschaften an, die nur einzelne Personen (z.B. ein Kind) begünstigen.» Schweizerisches Rotes Kreuz
«Um die Lebensumstände nachhaltig verbessern zu können, muss die Situation als Ganzes betrachtet und nicht nur auf Einzelschicksale Rücksicht genommen werden.»
Enfants du monde
«Fundraiserinnen und Fundraiser respektieren die Rechte der Unterstützten, insbesondere von Kindern, und wahren deren Würde. Sie verwenden im Fundraising keine Materialien oder Methoden, die diese Würde untergraben. Abzulehnen sind Einzelkinderpatenschaften mit direkten persönlichen Kontaktmöglichkeiten zu Kindern.» Ethische Richtlinien für das Fundraising von Swissfundraising.
Fünf Gründe gegen Einzelkind-Patenschaften
Grund 1: Sie grenzen aus und führen zu sozialem Ungleichgewicht
Eine Patenschaft für ein einzelnes Kind führt zu Spannungen im sozialen Umfeld des Kindes. Beispielsweise erhält das Patenkind mehr Aufmerksamkeit als andere Kinder, die ausgegrenzt sind.
Grund 2: Sie stellen das Bedürfnis von Patinnen und Paten über das Wohl der Kinder
Die persönliche Beziehung entspricht einem Bedürfnis von Patinnen und Paten, nicht jenem der Kinder. Die Kinder und ihre Familien befinden sich in einer Notlage, was das Marketing ausnutzt.
Grund 3: Sie schaffen unrealistische Erwartungen bei den Paten im Norden
Patinnen und Paten erhalten den Eindruck, dass sie ihrem Kind unmittelbar helfen. Einige wollen sogar die Verantwortung für das Wohl ihres Kindes übernehmen. Andere beschenken es oder laden es in die Ferien ein. Wieder andere möchten sich davon überzeugen, dass ihre Hilfe ankommt und dass es dem Kind gut geht. Diese Wünsche sind unrealistisch. Sie entstehen durch das Marketing der Organisation. Doch die Organisation kann diese unrealistischen Erwartungen nicht erfüllen. In der realen Welt haben die Patinnen und Paten keinen direkten Einfluss auf das Leben ihres Patenkindes. Sie können weder nachvollziehen, wohin ihre Spende genau fliesst, noch können sie beurteilen, wie ihre Hilfe wirkt. Das führt immer wieder zu Frustration und Enttäuschung. Die Organisation muss aufwändige Begleitmassnahmen entwickeln, um falschen Erwartungen vorzubeugen.
Grund 4: Sie wecken falsche Hoffnungen bei den Kindern
Persönliche Patenschaften können auch bei den Kindern falsche Hoffnungen wecken, zum Beispiel auf eine bessere Zukunft in einem fernen Land. Dies führt später zu Enttäuschungen, wenn die Träume nicht wahr werden. Die Organisation muss aufwändige Massnahmen treffen, um die Kinder zu schützen.
Grund 5: Sie sind nicht zeitgemäss
Die Botschaft, dass reiche Patinnen und Paten aus dem Norden ihre hilflosen Patenkinder aus dem Süden unterstützen, vermittelt ein veraltetes Weltbild. Die Entwicklungszusammenarbeit setzt heute auf Partnerschaft und nachhaltige Projekte. Dies sollen gemeinnützige Organisationen auch in ihrer Kommunikation vermitteln.
Einzelkindpatenschaften kontrovers in den Medien
SRF 1 Patenschaft schenken
11. Dezember 2014
Was schenkt man denen, die eigentlich schon alles haben? Eine Patenschaft vielleicht: Geld, um indischen Kleinbauern zu einem Stück Land zu verhelfen oder einer vierköpfigen Familie Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen. Auf solche Geschenkideen kommen Schenkende insbesondere zu Weihnachten, wo man doch so gerne Gutes tut. Aber wie gut sind solche Patenschaften denn tatsächlich? Und wie finde ich mich im Patenschaften-Dschungel zurecht? Martina Ziegerer, Geschäftsleiterin Zewo, gibt im «Ratgeber» Auskunft und rät ab vor Kinderpatenschaften, die auf ein ganz bestimmtes Kind abzielen.
Reporter SF1 Mein Patenkind in Mali – Vom Geschäft mit den grossen Kinderaugen
24. November 2010
Die Sendung «reporter» auf SF 1 widmete sich dem Thema Patenschaften in Mali.
Kassensturz SRF
11. Dezember 2007 World Vision: Fragwürdige Kinder-Patenschaften
Eine Spenderin der Hilfsorganisation World Vision besucht auf eigene Faust ihr Patenkind in Peru und ist entsetzt: Sie trifft ein krankes, verlumptes Kind. «Kassensturz» über das fragwürdige Geschäft mit Kinderpatenschaften.
Patenschaften in der internationalen Kritik
Patenschaften mit direkten Kontakten zu Kindern werden seit Jahrzehnten international kritisiert:
- AG Friedensforschung, Marketinginstrument Kind, 7. Dezember 2010.
- Zeit Online Kinderpatenschaften verdrängen traditionelle Hilfe, 8. Dezember 2010.
- Der Spiegel Zweifel an Kinderpatenschaften, 30. Mai 2005
- Martin Wroe and Malcolm Doney, The Rough Guide to a Better World, 2004 (ENG).
- New Internationalist Magazine Why You Should Not Sponsor A Child, April 5, 1989
- Der Spiegel Beigeschmack einer kolonialen Einstellung, 25. November 1985
- New Internationalist Magazine Please do not Sponsor this child – There are better ways to help, Mai 1, 1982
Nachhaltig helfen: Patenschaften für Projekte, Länder oder Themen übernehmen
NPO, die mit dem Zewo-Gütesiegel ausgezeichnet sind, verzichten bewusst auf Patenschaften mit Kontakt zu einem persönlichen Patenkind. Sie bieten Patenschaften an für Projekte, Länder oder Themen. Diese geben den Kindern den nötigen Schutz und ermöglichen nachhaltige Hilfe. Die Kinder wachsen in einem gesunden Umfeld auf, beispielsweise dank Projekten von NPO, die für sauberes Trinkwasser, Nahrung, Ausbildung und medizinische Versorgung sorgen. Sie geben den jungen Menschen realistische Perspektiven auf eine selbstbestimmte Zukunft.
Diese zertifizierten Hilfswerke bieten solche Patenschaften an:
Organisation | Kontaktangaben | Patenschaften |
ADRA Schweiz Zürich Telefon 044 515 03 17 | Themenpatenschaft | |
Brücke Le pont Fribourg Telefon 026 425 51 51 | Themenpatenschaft | |
Caritas Schweiz Luzern Telefon 041 419 22 22 | Kinder- / Themenpatenschaft | |
Caritas Zürich Zürich Telefon 044 366 68 68 | Kinder-/Themenpatenschaft | |
cbm – Christoffel Blindenmission Thalwil | Augenlichtpatenschaft Kinderpatenschaft | |
CO-OPERAID Zürich Telefon 044 363 57 87 | Projektpatenschaft | |
Enfants du monde Genève Telefon 022 798 88 81 | Patenschaft für Bildung und Gesundheit | |
Stiftung Heilsarmee Schweiz Bern Telefon 031 388 05 91 | Themenpatenschaften | |
HEKS – EPER Zürich Telefon 044 360 88 00 | Themenpatenschaften | |
HELVETAS Zürich Telefon 044 368 65 00 | Wasserpatenschaft Lehrlingspartnerschaft | |
Kiriat Yearim – Schweizer Kinderdorf in Israel Zürich Telefon 044 383 07 33 | Projektpatenschaft | |
Lepra-Mission Schweiz Herzogenbuchsee Telefon 062 961 83 85 | Projektpatenschaft | |
Save the Children Zürich Telefon 044 267 74 70 | Projektpatenschaft | |
Schweizerisches Rotes Kreuz Bern Telefon 031 387 71 11 | Diverse Patenschaften | |
Stiftung Kinderdorf Pestalozzi Trogen Telefon 071 343 73 29 | Diverse Patenschaften | |
Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz Bern Telefon 031 979 60 60 | Kinderdorfpatenschaft SOS Freundschaft | |
Swissaid Bern Telefon 031 350 53 53 | Patenschaft für Frauen, Bio-Landbau, Wasserprojekte | |
TearFund Schweiz Zürich Telefon 044 447 44 00 | Projektpatenschaft | |
Terre des Hommes Suisse Cologny Telefon 022 736 36 36 | Projektpatenschaft | |
terre des hommes schweiz Basel Telefon 061 338 91 38 | Themenpatenschaften | |
Women’s Hope International Bern Telefon 031 991 55 56 | Projektpatenschaft | |
WWF Zürich Telefon 044 297 21 21 | Projektpatenschaft für Ökoregion |